
Wie Radnabenmotoren wieder in Fahrt kommen
Die Elektromobilität entwickelt sich rasant – doch große Sprünge bei Reichweite und Effizienz sind selten geworden. Eine der spannendsten Ideen, um noch mehr Leistung aus der gleichen Batteriemenge zu holen, ist der Radnabenmotor. Sein Prinzip ist so einfach wie radikal: Der Motor sitzt nicht mehr zentral vorne oder hinten im Motorraum, sondern direkt im Rad. Damit entfallen Getriebe, Wellen und damit einhergehende mechanische Verluste. Ingenieure und und auch einige Start-ups sehen darin eine Chance, Elektro-Fahrzeuge leichter, sparsamer und kompakter zu machen. Manche Entwickler sprechen bereits von bis zu 20 Prozent Reichweitengewinn. Andere halten das Konzept für zu kompliziert und anfällig. In diesem Artikel werfen wir einen genauen Blick auf die Technik, die Versprechen – und die realen Grenzen des Antriebs im Rad. Beginnen wollen wir allerdings mit einer technischen Einführung.
Wie funktionieren Elektromotoren im Auto eigentlich?
Elektromotoren im Auto sind immer Drehfeldmaschinen – sie erzeugen Bewegung, indem sie ein rotierendes Magnetfeld aufbauen, das den Rotor mitzieht.
Im Kern besteht jeder E-Motor aus zwei Teilen: dem Stator, also dem unbeweglichen, runden Gehäuse mit Spulen, und dem Rotor, der sich darin dreht. Durch gezielt gesteuerte Ströme in den Spulen entsteht ein drehendes Magnetfeld, das den Rotor fortwährend „nachzieht“. Dieses einfache Prinzip kann auf verschiedene Weisen umgesetzt werden – und hier unterscheiden sich die Motortypen.
Der heute am weitesten verbreitete Typ ist der permanentmagneterregte Synchronmotor. In seinem Rotor sitzen Permanentmagnete – kleine, rechteckige Magnete, ähnlich Dominosteinen, die dauerhaft magnetisiert sind. Er läuft exakt synchron mit dem Magnetfeld des Stators. Solche Motoren findest du in den meisten Elektroautos aus Japan, China und auch im VW-Konzern – etwa im VW ID.3 oder ID.4. Ihr Vorteil: Sie sind effizient, kompakt und liefern hohes Drehmoment. Ihr Nachteil: Die Magnete enthalten seltene Erden, die fast ausschließlich aus China kommen und rohstoffkritisch sind.
Daneben gibt es fremderregte Synchronmaschinen. Hier erzeugt der Rotor sein Magnetfeld nicht über Permanentmagnete, sondern über Elektromagnete – also Spulen, die mit Gleichstrom gespeist werden. Diese Lösung ist technisch aufwendiger, weil sie Schleifringe oder andere Übertragungsmechanismen für den Strom braucht, hat aber einen entscheidenden Vorteil: Sie kommt ohne seltene Erden aus. BMW setzte sie zum Beispiel im iX3 und Renault in früheren Zoe-Modellen ein.
Die dritte Hauptbauart ist die Asynchronmaschine, auch Induktionsmotor genannt. Hier besitzt der Rotor keine Magnete, sondern nur einen Käfig aus Kupfer- oder Aluminiumstäben. Das Magnetfeld entsteht erst durch Induktion, also durch elektrische Ströme, die im Rotor erzeugt werden, wenn er sich im rotierenden Feld des Stators befindet. Deshalb läuft der Rotor immer etwas langsamer als das Magnetfeld – diese kleine Drehzahldifferenz nennt man „Schlupf“. Asynchronmotoren sind robust, aber etwas weniger effizient und benötigen im Fahrzeug meist eine größere Batterie, um denselben Energiebedarf abzudecken.
Übrigens: Für das Fahrgefühl ist der Motortyp egal. Ob Synchron- oder Asynchron-Antrieb – du würdest beim Fahren keinen Unterschied merken. Die Differenzen liegen in Fertigung, Kostenstruktur und Effizienz, nicht im Erlebnis.
Überblick über die wichtigsten Motortypen im E-Auto
Was genau ist ein Radnabenmotor – und warum ist er so besonders?
Der Radnabenmotor sitzt direkt im Rad und treibt es ohne Umwege an – keine Wellen, kein Getriebe, kein Differenzial.
Ein Radnabenmotor ist im Grunde ein ganz normaler Elektromotor, aber sein Einbauort macht ihn besonders. Während bei klassischen E-Autos der Motor zentral sitzt und über Wellen und Zahnräder die Räder antreibt, liegt hier die gesamte Antriebseinheit direkt im Rad selbst. Das Drehmoment entsteht also genau dort, wo es gebraucht wird – an der Straße.
Das klingt zunächst bestechend logisch: Warum die Energie erst durch Getriebe und Wellen schicken, wenn man sie direkt in Vortrieb umwandeln kann? Der Reiz liegt in der vermeintlichen Einfachheit. Keine mechanischen Verluste, keine aufwendige Kraftübertragung, kein Platzbedarf für einen Mittelmotor. Diese Idee ist übrigens alles andere als neu – schon die ersten Elektroautos um 1900 nutzten Radnabenmotoren. Doch damals waren sie schwer, ineffizient und kaum vor Schmutz oder Nässe zu schützen.
Heute kehrt das Konzept mit modernen Materialien und digitaler Steuerung zurück. Theoretisch bringt der Radnabenmotor eine ganze Reihe von Vorteilen: Er könnte Fahrzeuge leichter, effizienter und flexibler machen. In der Praxis ist das aber deutlich komplizierter, denn der Motor muss in einem extrem kleinen Bauraum untergebracht werden – dort, wo auch Bremse, Federung und Reifen sitzen.
In der Mikromobilität – also bei Scootern, E-Bikes oder kleinen Stadtfahrzeugen – sind Radnabenmotoren längst Alltag. Hier ist der Leistungsbedarf gering, die Belastung überschaubar, und die Vorteile überwiegen klar. Ganz anders beim Pkw: Hier müssen hohe Drehmomente beherrscht, große Temperaturschwankungen ausgehalten und Sicherheitsreserven eingehalten werden. Kein Wunder, dass es bisher kein Serienauto gibt, das seine Kraft ausschließlich aus Radnabenmotoren bezieht.
Trotzdem gilt: Je effizienter die Motoren werden, desto stärker rückt das Konzept wieder in den Fokus. Denn jedes eingesparte Prozent an mechanischem Verlust bedeutet mehr Reichweite – und das ist in der Elektromobilität immer ein Argument.
Übersicht: Warum Radnabenmotoren so besonders sind
Was haben Axialflussmotoren mit Radnabenmotoren zu tun?
Axialflussmotoren sind das technische Herz moderner Radnabenmotoren – ohne sie wären die heutigen Konzepte kaum realisierbar.
Ein Axialflussmotor unterscheidet sich nicht durch sein physikalisches Prinzip, sondern durch seine Geometrie. Während bei klassischen Radialflussmaschinen der Magnetfluss quer zur Welle verläuft, fließt er beim Axialflussmotor parallel dazu – also in Richtung der Achse. Das klingt nach einem kleinen Unterschied, verändert aber den gesamten Aufbau: Statt eines zylindrischen Körpers entsteht eine flache, scheibenförmige Einheit. Eben diese Form macht den Axialflussmotor so interessant für den Einsatz im Rad.
Im Rad eines Autos ist der Bauraum knapp, aber der Durchmesser groß. Das bedeutet: je flacher der Motor, desto besser. Axialflussmaschinen nutzen diesen Raum optimal aus. Durch ihren größeren Durchmesser lässt sich der sogenannte Hebelarm – also der Radius, an dem das Drehmoment wirkt – vergrößern. Da Drehmoment das Produkt aus Kraft und Hebelarm ist, verdoppelt ein doppelt so großer Durchmesser nicht nur den Hebelarm, sondern auch die Fläche des Luftspalts. Das Ergebnis: theoretisch ein vierfaches Drehmoment bei gleichem magnetischem Fluss.
Diese Effizienz bei gleichzeitig kompaktem Aufbau ist der Grund, warum fast alle modernen Radnabenmotor-Konzepte auf axialem Fluss basieren. Unternehmen, die an solchen Systemen arbeiten, setzen auf Axialflussmaschinen, weil sie viel Drehmoment bei niedriger Drehzahl erzeugen können – genau das, was ein Radnabenmotor braucht.
Aber der Aufbau hat auch seine Schattenseiten: Axialflussmaschinen sind technisch anspruchsvoll. Die Luftspalte müssen extrem präzise gefertigt werden, da kleinste Abweichungen sofort den Wirkungsgrad verschlechtern. Außerdem verteilt sich die Wärme ungleichmäßig, weil die Wicklungen dicht an der Oberfläche liegen. Die Fertigung ist aufwendiger, das Material teurer, und die Montage verlangt hohe Präzision.
Ingenieure schätzen den Vorteil der hohen Leistungsdichte, also der Leistung pro Kilogramm, und nehmen dafür höhere Produktionskosten in Kauf. In klassischen Fahrzeugen lohnt sich dieser Aufwand selten, doch im Rad, wo jeder Millimeter zählt, ist der Axialflussmotor nahezu alternativlos.
Die meisten aktuellen Prototypen erreichen so beeindruckende Werte: Drehmomente von bis zu 2.500 Newtonmetern pro Rad bei einem Gewicht von rund 30 bis 35 Kilogramm – und das inklusive Leistungselektronik. Damit bewegen sich diese Motoren in einem Bereich, der früher nur mit Getriebe erreichbar war.
Axialfluss- vs. Radialflussmotor im Fahrzeugbau
Welche Vorteile bringen Radnabenmotoren wirklich?
Radnabenmotoren reduzieren Verluste, sparen Platz und eröffnen neue Freiheiten im Fahrzeugdesign.
Wenn du dir vorstellst, dass der Strom direkt im Rad in Vortrieb umgewandelt wird, erkennst du schnell den Charme des Prinzips. Alle Zwischenstufen, die sonst Energie kosten – Getriebe, Differenzial, Wellen – entfallen komplett. Jede mechanische Reibung, jedes Zahnrad bedeutet Energieverlust. Ein Radnabenmotor eliminiert diese Reibungsverluste nahezu vollständig, denn er wirkt direkt auf das Rad. Das kann den Gesamtwirkungsgrad des Antriebs deutlich steigern und damit die Reichweite spürbar verbessern.
Ein weiteres Argument ist der Bauraumgewinn. Wenn der Motor nicht mehr im Fahrzeugkörper sitzt, bleibt in der Mitte Platz für größere Batterien oder einen flacheren Fahrzeugboden. Gerade bei kompakten E-Autos kann das den Unterschied zwischen 50 und 60 kWh Batteriekapazität ausmachen – und somit zwischen 350 und 450 Kilometern realer Reichweite.
Hinzu kommt die Gewichtsverteilung: Da jedes Rad seinen eigenen Antrieb hat, kann die Leistung präzise dosiert werden. Das erlaubt eine perfekte Traktionskontrolle – theoretisch sogar ohne Differenzial oder separate Antriebswellen. Jedes Rad lässt sich individuell regeln, was neue Möglichkeiten für Fahrstabilität, Rekuperation und Dynamik eröffnet.
Radnabenmotoren schaffen zudem Spielraum für neue Fahrzeugkonzepte. Wenn du vier individuell ansteuerbare Räder hast, kannst du das Auto nicht nur antreiben, sondern auch lenken, bremsen und sogar seitwärts bewegen. Einige Prototypen demonstrieren sogenannte „Krabbengänge“ – also das Einparken quer zur Fahrtrichtung oder ein Wenden auf der Stelle. Diese Bewegungen wären mit klassischen Antrieben kaum möglich, weil sie mechanisch zu komplex wären.
Auch wirtschaftlich ist die Idee interessant: Ein einfacherer mechanischer Aufbau kann langfristig Wartungskosten senken. Weniger Teile bedeuten weniger Verschleiß. Und wenn die Motoren wie bei aktuellen Prototypen wartungsfrei über die gesamte Fahrzeuglebensdauer ausgelegt sind, könnten sie die Servicekosten eines E-Autos weiter drücken.
Nicht zuletzt verbessert der Direktantrieb auch die Rekuperation, also die Rückgewinnung von Bremsenergie. Da keine Übersetzung zwischen Motor und Rad liegt, kann beim Bremsen sofort Energie zurück in die Batterie gespeist werden. Das erhöht den Wirkungsgrad vor allem im Stadtverkehr, wo häufiges Beschleunigen und Abbremsen typisch ist.
Übersicht: Technische Vorteile des Radnabenmotors
Wie versuchen neue Konzepte, die Grenzen der Physik zu überwinden?
Neue Antriebsarchitekturen verlagern den Fokus vom einzelnen Motor auf das Gesamtsystem aus Mechanik, Elektronik und Kühlung.
Während bisherige Ideen zu Radnabenmotoren oft an der reinen Physik gescheitert sind, verfolgen moderne Entwickler einen anderen Ansatz: Sie akzeptieren die Grenzen, gestalten aber das System drumherum neu. Statt vier separater Motoren im Fahrzeug zu verteilen, konzentrieren sich viele auf Zweiradantriebe – meist an der Hinterachse. Das halbiert den technischen Aufwand, verringert die Kabelwege und reduziert die Zahl der Komponenten, die gekühlt, überwacht und gewartet werden müssen.
Ein Beispiel für diese neue Systemlogik ist der Ansatz von DeepDrive. Das Unternehmen nutzt kompakte, axial aufgebaute Motoren, die direkt im Radträger sitzen, aber vollständig gekapselt und flüssig gekühlt sind. Die Leistungselektronik ist integriert, sodass keine langen Leitungen zu separaten Umrichtern nötig sind. Dadurch sinken elektrische Verluste und die Bauraumintegration wird einfacher.
Die Motoren liefern je nach Auslegung 1.500 bis 2.500 Newtonmeter Drehmoment pro Rad, bei einem Gewicht von nur 30 bis 35 Kilogramm inklusive Elektronik. In der Praxis ergibt das ein Gesamtantriebsmoment von 3.000 bis 5.000 Nm – exakt das, was ein Mittelklassefahrzeug für dynamischen Vortrieb benötigt.
Ein zentrales Argument dieser neuen Architektur ist die Effizienz. In herkömmlichen Systemen gehen beim Fahren rund 3 bis 3,5 Kilowattstunden pro 100 Kilometer allein im Antrieb verloren, weitere 2 Kilowattstunden beim Laden. Durch den Direktantrieb ohne Getriebe und Differenzial entfallen die größten Reibungsverluste. Hersteller solcher Systeme erwarten, dass sich damit die Reichweite um etwa 20 Prozent erhöhen lässt oder bei gleicher Reichweite die Batterie kleiner dimensioniert werden kann. Das kann Kosten in Höhe von 2.000 bis 3.000 Euro sparen, wenn günstigere Zellchemien wie LFP oder Natrium-Ionen zum Einsatz kommen.
Auch das Thema ungefederte Masse wird neu bewertet. Wenn die Motoren an der Hinterachse sitzen und gleichzeitig kleinere Bremsanlagen erlaubt sind, steigt das Gewicht pro Rad nur um rund 15 bis 20 Kilogramm. Bei einem Elektro-SUV mit ohnehin schweren Rädern ist dieser Zuwachs kaum spürbar. Zudem kann moderne Fahrwerkssoftware die zusätzlichen Massen ausgleichen.
Ein weiterer Vorteil ist die Wartungsarmut. Die Motoren sind für die gesamte Fahrzeuglebensdauer ausgelegt, praktisch wartungsfrei und modular austauschbar. Das Bremssystem übernimmt fast ausschließlich Rekuperation, sodass die Trommel- oder Scheibenbremsen kaum verschleißen.
Trotzdem bleibt die Reparatur komplex: Die starke Magnetisierung und die Integration der Leistungselektronik erschweren Eingriffe. In der Praxis dürfte ein defekter Motor ausgetauscht statt repariert werden.
Diese neue Denkrichtung zeigt, wie sich die Diskussion verschoben hat – weg von der Frage „Wie verbessern wir den Motor?“ hin zu „Wie bauen wir das Auto um den Motor herum?“. Der Fortschritt liegt weniger in der Physik der Maschine als in der intelligenten Systemintegration.
Systemvorteile moderner Radnabenantriebe am Beispiel neuer Architekturen
Fazit: Wohin entwickeln sich Radnabenmotoren in der Elektromobilität?
Ihr größter Reiz liegt in der Effizienz. Kein anderes Antriebskonzept wandelt elektrische Energie so direkt in Bewegung um. Der Wegfall von Getriebe und Differenzial spart Bauraum, Gewicht und Energie – und eröffnet völlig neue Fahrzeugarchitekturen. Gleichzeitig sind die konstruktiven Herausforderungen noch erheblich: Gewicht, thermische Belastung, Komplexität und Kosten bleiben reale Hürden, die auch moderne Axialflussmotoren nicht vollständig beseitigen können.
Dennoch verändert sich der Blick auf das Thema. Während ältere Generationen von Ingenieuren den Radnabenmotor vor allem als unpraktische Idee abtaten, sehen neue Entwickler darin eine Systemchance. Entscheidend ist nicht mehr die einzelne Maschine, sondern die Integration des gesamten Antriebs in eine kompakte, effiziente Einheit. Ansätze wie die von DeepDrive zeigen, dass sich viele der bekannten Nachteile technisch entschärfen lassen, wenn man Motor, Elektronik und Fahrwerk als Einheit denkt. Ob die von Entwicklern berechneten bis zu 20 Prozent Reichweitengewinn Realität werden, wird sich aber erst noch erweisen müssen.
Ob sich der Radnabenmotor im Pkw-Bereich durchsetzt, wird nicht allein eine Frage der Physik sein, sondern der Skalierung. Wenn die Produktionskosten sinken und die Effizienzgewinne tatsächlich im Alltag spürbar bleiben, könnten Radnabenmotoren künftig in leichten und mittleren Fahrzeugklassen eine Rolle spielen – vor allem dort, wo Reichweite, Kompaktheit und niedrige Betriebskosten wichtiger sind als absolute Spitzenleistung.
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Simona Marino
Verkaufsleiterin
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