
Kabeldiebstähle – ein wachsendes Risiko für die Ladeinfrastruktur
Die Elektromobilität steht für Fortschritt, Nachhaltigkeit – und leider auch für neue Formen von Vandalismus. Immer häufiger sind an Schnellladesäulen nur noch die Reste abgeschnittener Kabel zu sehen, wo zuvor E-Autos Strom tankten. Der Schaden reicht dabei weit über das Materielle hinaus: Jede funktionslose Ladesäule kostet Vertrauen in ein System, das eigentlich den Weg in eine saubere Zukunft ebnen soll.
Mit dem rasanten Ausbau des Ladenetzes wächst auch die Angriffsfläche für Sabotage und Diebstahl. Energieversorger, Betreiber und Technikhersteller stehen deshalb vor einer neuen Herausforderung: Wie lässt sich die Ladeinfrastruktur so sichern, dass sie verlässlich bleibt – und gleichzeitig offen und zugänglich für alle?
Im Folgenden zeigen wir, wie groß das Problem inzwischen ist, welche Akteure betroffen sind und mit welchen Ideen die Branche auf den Kabelklau reagiert.
Wie viele Kabeldiebstähle gibt es derzeit in Deutschland?
Die Zahl der Kabeldiebstähle steigt deutlich – und eine zentrale Statistik fehlt.
Laut dem Karlsruher Energiekonzern EnBW, einem der größten Schnellladeanbieter Deutschlands, wurden allein in diesem Jahr bereits über 900 Kabel gestohlen. Das Unternehmen EWE Go aus Oldenburg spricht von einer Zahl im mittleren bis hohen zweistelligen Bereich. Bei Ionity, dem europaweit aktiven Münchener Ladeinfrastruktur-Anbieter, sind es rund 30 gestohlene Kabel in Deutschland und etwas mehr als 100 im europäischen Ausland. Eine einheitliche, bundesweite Übersicht über solche Fälle existiert jedoch nicht – die Polizeistatistiken erfassen sie nicht gesondert.
Wie stark nehmen die Kabeldiebstähle an Ladesäulen zu?
Die Zahl der Kabeldiebstähle steigt seit 2022 spürbar an.
Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass das Problem größer wird. Beim Oldenburger Anbieter EWE Go lag die Zahl der Fälle in den Jahren 2022 bis 2024 „im sehr niedrigen zweistelligen Bereich“. In diesem Jahr meldet das Unternehmen jedoch einen deutlichen Anstieg – die Fallzahlen liegen nun im mittleren bis hohen zweistelligen Bereich.
Auch bei Ionity zeigt sich eine ähnliche Tendenz. Für die Jahre zuvor war nur von einer Handvoll Diebstähle die Rede, verteilt auf Deutschland und Großbritannien. Mittlerweile sind es allein in Deutschland rund 30 gestohlene Kabel, europaweit etwas über 100.
Die Betreiber sehen diesen Trend mit Sorge, da er mit dem zunehmenden Ausbau der Ladeinfrastruktur einhergeht: Je mehr Standorte entstehen, desto größer wird die Zahl potenzieller Tatorte – und desto wichtiger werden technische Schutzmaßnahmen, um Vandalismus und Diebstahl einzudämmen.
Wer steckt hinter den Diebstählen von Ladekabeln?
Meist geht es um Kupfer, manchmal um Zerstörung – selten um Ideologie.
Die Ursachen für den Kabelklau an Ladesäulen sind so unterschiedlich wie die Tatorte selbst. Ein Teil der Diebe zielt auf das im Inneren enthaltene Kupfer. Laut EnBW steckt in einem Schnellladekabel je nach Aufbau und Leistung zwischen vier und zehn Kilogramm des Metalls. Beim Schrotthändler bringt das gerade einmal etwa 50 Euro, auf dem Schwarzmarkt ist der Betrag noch geringer.
Weil dieser Gewinn kaum ins Gewicht fällt, liegt für viele Ladesäulenbetreiber der Verdacht nahe, dass nicht nur Geldgier eine Rolle spielt. EnBW berichtet von Fällen, in denen Kabel absichtlich an ungewöhnlicher Stelle durchtrennt werden – knapp hinter der Kabelführung, sodass ein Stück hängen bleibt. Der Rest liegt dann ein paar Meter weiter im Gras. Solche Spuren deuten auf reinen Vandalismus oder sogar gezielte Sabotage hin, möglicherweise aus Ablehnung gegenüber der Elektromobilität.
Auch wenn Diebstähle angezeigt werden, gestaltet sich die Fahndung schwierig. Die Täter agieren meist nachts oder an wenig frequentierten Ladepunkten, wo keine Kameras installiert sind. So bleiben viele Fälle unaufgeklärt.
Wie teuer ist ein einzelner Kabeldiebstahl?
Ein gestohlenes Kabel kann bis zu 5000 Euro kosten – und Vertrauen zerstören.
Ein Diebstahl ist für Betreiber nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer. Nach Angaben von Ionity liegt der Schaden pro Kabeldiebstahl zwischen 2500 und 5000 Euro. Diese Summe umfasst den Ersatz des Kabels, den Arbeitsaufwand und die technische Prüfung, die vor jeder Wiederinbetriebnahme vorgeschrieben ist. Bei der EnBW summieren sich die entstandenen Kosten inzwischen auf einen Betrag im niedrigen einstelligen Millionenbereich.
Der finanzielle Aufwand ist jedoch nur die eine Seite. Während die Reparaturen Zeit und Geld kosten, sinkt parallel das Vertrauen der Nutzer in die Zuverlässigkeit der Ladeinfrastruktur. Die Ionity-Sprecherin bringt es auf den Punkt: Jeder Ausfall untergräbt das Vertrauen in die Alltagstauglichkeit der Elektromobilität. Wenn eine Station tagelang außer Betrieb bleibt, ist der Schaden für das Image größer als jede Materialrechnung.
Welche Folgen haben defekte Ladesäulen für E-Autofahrer?
Wenn Kabel fehlen, stehen Fahrer oft tagelang ohne Lademöglichkeit da.
Für Elektroautofahrer sind die Folgen eines Kabeldiebstahls sofort spürbar. Die betroffenen Ladesäulen bleiben in der Regel mehrere Tage außer Betrieb, bis neue Kabel montiert und geprüft sind. In dieser Zeit wird der Standort im System oft erst mit Verzögerung als „außer Betrieb“ markiert – wer also einen betroffenen Ladepunkt ansteuert, merkt das Problem manchmal erst vor Ort. Je nachdem, wie weit die nächste funktionierende Station entfernt ist, entstehen zusätzliche Umwege – und damit Zeitverlust und Mehrverbrauch.
Gerade für Vielfahrer oder auf langen Strecken kann das zum echten Ärgernis werden. Denn wer im Vertrauen auf die Ladeplanung unterwegs ist, muss plötzlich improvisieren. Ein geklautes Kabel ist daher nicht nur ein Verlust für den Betreiber, sondern ein Hindernis für jeden, der auf zuverlässige Ladeinfrastruktur angewiesen ist.
Gibt es regionale Schwerpunkte beim Kabelklau?
Besonders betroffen sind NRW, Niedersachsen und Teile Ostdeutschlands.
Die Häufung von Kabeldiebstählen konzentriert sich auf bestimmte Regionen. Nach Angaben der EnBW liegen die Schwerpunkte derzeit in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In diesen Bundesländern registrierte das Unternehmen die meisten Vorfälle. Vereinzelt wurden auch Fälle aus Thüringen und Rheinland-Pfalz gemeldet.
Auffällig ist zudem, dass es an einigen Standorten immer wieder zu Wiederholungstaten kommt. Kaum ist eine Ladesäule repariert und wieder in Betrieb, schlagen die Täter erneut zu. Das betrifft vor allem Orte, die abgelegen oder wenig frequentiert sind.
Anders sieht es entlang viel befahrener Strecken aus. Laut Ionity sind Standorte an Autobahnen deutlich seltener betroffen – dort wird rund um die Uhr geladen, was Dieben kaum Gelegenheit lässt, unbeobachtet zu agieren. Ähnlich äußert sich Aral pulse: Da sich deren Ladesäulen meist auf Tankstellengeländen befinden, die überwiegend durchgehend geöffnet sind, kommt Kabeldiebstahl dort nur selten vor.
Je stiller der Ort, desto größer das Risiko. Für Betreiber ist das ein Balanceakt – Ladeinfrastruktur soll flächendeckend entstehen, aber gleichzeitig sicher bleiben.
Welche Maßnahmen sollen Kabeldiebstähle künftig verhindern?
Die Betreiber setzen auf Hightech – von Farbpatronen bis KI-Überwachung.
Um den wachsenden Vandalismus in den Griff zu bekommen, investieren Ladeanbieter in immer ausgefeiltere Schutzsysteme. Ionity etwa testet derzeit Kabel mit integrierten Farbpatronen: Wird ein Kabel aufgeschnitten, platzt die Kartusche und verteilt Tinte – sowohl auf dem gestohlenen Material als auch auf den Händen und der Kleidung der Täter. Das macht gestohlene Kabel sofort erkennbar und kann potenzielle Diebe abschrecken. Erste Erfahrungen zeigen laut Ionity, dass solche Versuche an entsprechend gesicherten Standorten häufig abgebrochen werden. Zusätzlich werden Tracking-Lösungen erprobt, mit denen sich gestohlene Kabel nachverfolgen lassen sollen.
EWE Go verfolgt dagegen einen anderen Ansatz. Das Unternehmen lehnt den Einsatz von Tinte ab, weil sie die eigene Infrastruktur verunreinigen und zusätzliche Reinigungskosten verursachen könnte. Stattdessen setzt EWE Go auf Kameratechnik und gezielte Überwachung – als pragmatischere Lösung, um Täter abzuschrecken und Beweismaterial zu sichern.
Auch EnBW experimentiert mit mehreren Strategien: verstärkte Beleuchtung, Videoüberwachung und robuster konstruierte Kabel mit schnittfestem Mantel, die Manipulationen erschweren. In Planung sind außerdem Systeme, die Manipulationen in Echtzeit erkennen und Alarm schlagen. Parallel sucht das Unternehmen den engen Austausch mit Ermittlungsbehörden, um gemeinsam präventive Maßnahmen zu entwickeln.
Darüber hinaus fordern Betreiber rechtliche Nachschärfungen. Wenn Ladekabel künftig als Teil der öffentlichen Energieinfrastruktur gelten, könnten strengere Strafrahmen greifen. Damit würde der Diebstahl nicht mehr als einfacher Sachschaden behandelt, sondern als Eingriff in ein wesentliches Versorgungsnetz.
Die Sicherheitsbranche bringt sich ebenfalls ein. Dort werden Konzepte entwickelt, bei denen Kameras und Lautsprecher an vorhandene Lampenmasten montiert und mit einer zentralen Leitwarte verbunden werden. Im Ernstfall kann das Personal direkt eingreifen – etwa durch Sprachansprache oder Alarmierung der Polizei. Ergänzend kommen KI-gestützte Verfahren zum Einsatz, die auffälliges Verhalten automatisch erkennen und das Sicherheitsteam warnen. Für besonders gefährdete Standorte bieten sich mobile Videotürme an, die kurzfristig bereitgestellt werden können, etwa auf Parkplätzen oder in Ladeparks.
Fazit: Was bleibt vom Kabelklau – und was er über die Elektromobilität verrät
Was auf den ersten Blick nach gewöhnlichem Diebstahl aussieht, legt ein tieferes Problem offen: Die Ladeinfrastruktur wächst schneller, als sich Sicherheitssysteme und Schutzkonzepte anpassen können. Betreiber wie EnBW, Ionity und EWE Go reagieren inzwischen mit Hightech-Maßnahmen – von Farbpatronen über Kameras bis zu KI-gestützter Überwachung. Doch der eigentliche Wert dieser Initiativen liegt nicht nur im Schutz einzelner Kabel, sondern im Erhalt des Vertrauens in die E-Mobilität selbst.
Jede Ladesäule, die verlässlich funktioniert, ist ein Stück Alltagssicherheit für alle, die elektrisch unterwegs sind. Und jedes geklaute Kabel erinnert daran, wie verletzlich Fortschritt bleibt, wenn Technik schneller wächst als Bewusstsein. Vielleicht zeigt gerade dieser unbequeme Aspekt der Elektromobilität, dass Wandel nicht nur aus Innovation besteht, sondern auch aus der Fähigkeit, das Erreichte zu schützen.
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Simona Marino
Verkaufsleiterin
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